Nein.
Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) – bestehend aus 17 Richtern – hat am 15. Oktober 2015 final geurteilt, dass es für das Gericht im Fall Perinçek gegen die Schweiz nicht erforderlich sei zu bestimmen, ob die Massaker und Deportationen der Armenier ab 1915 im Osmanischen Reich als Völkermord zu charakterisieren sind. Zudem habe es keine Befugnis hierüber eine rechtlich bindende Verkündung abzugeben.
7 Richter, darunter EGMR-Präsident Dean Spielmann, gaben zudem in einer abweichenden Erklärung an, dass es selbstverständlich ist, dass die Massaker und Deportationen der Armenier als Völkermord zu bezeichnen sind. Der Völkermord an den Armeniern, so die Richter, ist ein eindeutig festgestellter historischer Fakt.
(Quelle: EGMR Grand Chamber, Case of Perinçek v. Switzerland (Application no. 27510/08), Judgment, Strasbourg, 15 October 2015 )
Das EGMR-Urteil im original Wortlaut:
Ja.
Nicht nur eine – gleich mehrere Historikerkommissionen haben bereits seit 2001 stattgefunden. Alle Kommissionen kamen zu dem gleichen Ergebnis: Es war Völkermord!
Dennoch fordert die Türkei immer wieder, obwohl mehrfach Kommissionen stattgefunden haben und ihre Ergebnisse bekannt sind, die Einberufung einer solchen Historikerkonferenz im Rahmen ihrer Leugnungskampagne und behauptet weiter, dass Armenien dies verhindern würde.
Jahr | Ort | Ergebnis | Nähere Infos |
---|---|---|---|
2001 | Genf | Es war Völkermord |
Die Türkisch-armenische Versöhnungskommission (TARC) wurde gegründet und beauftragte das „International Center for Transitional Justice, ICTJ“ mit der Untersuchung der Anwendbarkeit der 1948 beschlossenen Genozidkonvention auf die Ereignisse von 1915. Am 4. Februar 2003 kam das ICTJ zu dem Urteil, dass die Ereignisse von 1915 alle Straftatbestände der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes erfüllen.
(Quelle: ICTJ-Urteil, D. Conclusion, Seite 17) |
2005 | Istanbul | Wurde von der Türkei unterbunden |
Eine Historikerkonferenz die Ende Mai 2005 in Istanbul stattfinden sollte, wurde von dem türkischen Justizminister Cemil Çiçek selbst unterbunden.
(Quelle: F.A.Z., Konferenz über Mord an Armeniern verschoben, 25.05.2005) |
2015 | Berlin | Es war Völkermord |
Eine internationale Historikerkonferenz mit 160 Historikern beschäftigte sich vom 1. bis 3. März 2015 mit den Ereignissen von 1915. Das Ergebnis: Die Mehrheit der in Berlin versammelten Historiker stuften die Vorgänge als Völkermord nach der entsprechenden UN-Konvention aus dem Jahr 1948 ein.
(Quelle: Deutsche Welle, Deutschland und der Genozid, 04.03.2015) |
Ja.
Das WikiLeaks-Dokument 05YEREVAN769 zeigt auf, dass Robert Kotscharjan, der ehemalige Präsident Armeniens, am 25. April 2005 in einem Brief dem damaligen türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan antwortete und ihm mitteilte, dass eine intergouvernementale Kommission errichtet werden sollte, um alle noch offenen Fragen zwischen Armenien und der Türkei zu besprechen. Die Türkei behauptet bis heute, dass Armenien auf Erdogans Angebot vom 10. April 2005 nie reagiert habe.
(Quelle: WikiLeaks-Dokument 05YEREVAN769 )
Nein.
Kemal Çiçek, ein Experte der „Türkisch historischen Gesellschaft“ (Türk Tarih Kurumu, TTK) bestätigte, dass die Archive in Armenien geöffnet sind und dass türkische Historiker und Forscher bereits in diesen Archiven gearbeitet haben, diese jedoch nur wenig Informationen zum Jahr 1915 enthalten, da die Republik Armenien zum Zeitpunkt des Völkermords noch gar nicht existierte. Die Behauptung der Türkei, Armeniens Archive seien geschlossen, ist somit unwahr.
(Quelle: Hurriyet Daily News, „Armenian archive digitalization might not shed light on 1915, scholars say“, 2011 )
Nein.
Von der Türkei werden die Osmanischen Archive als „frei zugänglich“ beworben. Jedoch werden Wissenschaftlern und Historikern, die in den Archiven in Bezug auf den Völkermord an den Armeniern arbeiten möchten, die Arbeit durch Restriktionen erschwert.
(Quelle:
WikiLeaks-Dokument, 04ISTANBUL1074
)
Das Europäische Parlament forderte die Türkei am 15. April 2015 dazu auf, die Gewährung des Zugangs zu den Archiven fortzusetzen.
(Quelle:
Europäische Parlament, Armenien und Türkei sollen zu Normalisierung ihrer Beziehungen übergehen, 15.04.2015
)
Nein.
Nach dem Ersten Weltkrieg gab es nur wenige internationale Vorschriften, die den Umgang mit Kriegsverbrechen regelten. Das rechtliche Vakuum im Jahr 1919 war groß. Britische Militärgerichte waren nur für drei Straftaten (Verstoß gegen Waffenstillstandsbedingungen, Behinderung seines Vollzugs sowie Misshandlung britischer Kriegsgefangener) zuständig, und dies auch nur in den besetzten Gebieten, nicht in Malta. Alle anderen Straftaten, einschließlich der Verbrechen gegen die armenische Bevölkerung, fielen weitgehend in den Bereich des rechtlichen Niemandslands. Im Rahmen der Malta-Prozesse wurden daher über 100 türkische Häftlinge – die wegen Kriegsverbrechen, einschließlich der gegen die armenische Bevölkerung verübten Verbrechen angeklagt waren – im Austausch gegen 22 britische Gefangene, die von Mustafa Kemal Atatürk festgehalten wurden, freigelassen. Richter Giovanni Bonello sagt, dass eine „Reihe arrangierter Zufälle“ dazu geführt hat, dass die Malta-Prozesse nach dem Ersten Weltkrieg nicht die gleiche Rolle gespielt haben wie die Nürnberger Prozesse nach dem Zweiten Weltkrieg.
(Quelle: Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments, PLENUM – 13/4/2015, S. 2 )