Warum der Völkermord auch nach 100 Jahren immer noch aktuell ist und seine nicht-Aufarbeitung den deutschen Alltag negativ beeinflusst, zeigen Ereignisse der letzten Jahre.
Türkische Kreise in Deutschland sowie die türkische Regierung üben Druck auf deutsche Institutionen aus, um einen offenen Umgang mit dem Völkermord von 1915, einem verschwiegenen Teil deutsch-türkisch-armenischer Geschichte, sowie seine Anerkennung und Aufarbeitung zu verhindern.
APRIL 2016 Türkei interveniert gegen Armenien-Projekt der Dresdner Sinfoniker
Nach Böhmermann nun die Dresdner Sinfoniker: Die EU-Kommission hat auf Druck der Türkei bei einem internationalen Armenien-Projekt des Orchesters – welches ihr Konzertprojekt „Aghet“ dem Genozid an den Armeniern vor hundert Jahren widmen – Passagen von der Website entfernt. Einmal mehr mischt sich die Türkei in Sachen Kunst und Kultur in Deutschland ein. „Sie wollten, dass niemand davon erfährt und dass die Begriffe Genozid und Völkermord getilgt werden“, sagte Markus Rindt, Intendant der Dresdner Sinfoniker.
FEBRUAR 2016 Deutscher Botschafter in Ankara wird einbestellt
Der deutsche Botschafter in Ankara Martin Erdmann ist bereits dreimal in 2016 von der türkischen Regierung einbestellt worden. Vor allem das Gespräch am 22. März aufgrund eines Satirebeitrags des NDR über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, hatte für Aufsehen gesorgt. Erdmann wurde im türkischen Außenministerium zudem zu Lehrmaterial über den Völkermord in Armenien befragt und musste sich am 19. Februar für eine Handreichung für Lehrer in Sachsen-Anhalt zum Thema Genozid rechtfertigen. In dem Papier nimmt der Völkermord an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs, den Ankara bestreitet, breiten Raum ein.
MÄRZ 2014 Armenier-Drama in Konstanz
Türkische Regierung protestiert. Türkische Institutionen bestimmen indirekt das kulturelle Leben in Deutschland. Im März 2014 sorgte die Uraufführung des Theaterstücks „Das Märchen vom letzten Gedanken“ am Theater Konstanz für Unmut auf Seiten der türkischen Regierung sowie für Proteste türkischer Bürger in Deutschland. Das Stück basiert auf dem Roman des jüdischen Autors Edgar Hilsenrath und thematisiert den Völkermord der Türken an den Armeniern. Die Proteste führten dazu, dass das Theater die Plakate der Veranstaltung abnahm, sowie die offizielle Leugnungsposition der Türkei bei der Uraufführung verlaß, um die türkischen Gemüter zu besänftigen.
MAI 2011 Stuttgarter Unversität kneift
Am 28. Mai 2011 sollte in der Universität Stuttgart ein Vortrag und eine anschließende Podiumsdiskussion über den Völkermord an Armeniern, Assyrern und Griechen zwischen 1912 und 1922 und über die Leugnungspolitik der Türkei stattfinden. Doch die Universitätsleitung lehnte den Antrag auf Raumvergabe kurzfristig ab. Die Begründung: Türkischer „Protest aus Berlin“ sowie der Wunsch, als Universität „neutral zu bleiben“.
AUGUST 2009 Brandenburg ist aktuell das einzige Bundesland …
…, das über den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich aufklärt. Im August 2009 verlangte die Türkische Gemeinde in Deutschland den Völkermord aus dem Lehrplan zu streichen.
JANUAR 2005 Türkische Diplomaten bestimmen Lehrplan deutscher Schulen
Im Januar 2005 ließ der damalige brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck den Verweis auf den Völkermord an den Armeniern aus dem Lehrplan streichen. Der Grund: Türkische Diplomaten hatten vehement dagegen protestiert.